Lernbegleitung an Schulen unterstützt die Schüler und führt zu einer anderen Gesprächs- und Leistungsbewertungskultur in der Schule. 

Dazu auch: Das pädagogische Gespräch in der Oberstufe,

Umsetzung in der Praxis 

Hilfen zum Lernbegleitungsgespräch 

Die Lernbegleitermappe

Warum Rückmeldebogen?

Rückmeldung der SchülerInnen an die Lehrer

Rückmeldung an die SchülerInnen

Im Mittelpunkt der Konzeption der Lernbegleitung steht das Lernbegleitungsgespräch. Es richtet sich nicht nur auf einzelne Leistungen bzw. Leistungsschwächen, sondern bezieht die Situation, die Bedingungen, die Voraussetzungen und die Lernbiographie der Schüler mit ein. Insbesondere wird nach Lernbehinderungen und förderlichen Momenten in der Situation gesucht. Die Fähigkeiten und die Stärken finden mehr Aufmerksamkeit als die Schwächen, die allerdings ebenfalls betrachtet werden müssen. Das Lernbegleitungsgespräch findet sinnvollerweise am Anfang des Schuljahres statt. Gesprächsteilnehmer sind in der Regel der Schüler, der Klassenbetreuer und ein Kol­lege aus dem Klassenkollegium. Grundlagen für das Lernbegleitungsge­spräch können die Schülerselbstevaluation, die Zeugnisse und die Rück­meldebogen aus dem Unterricht sein. Das Gespräch wird protokolliert und im Lernbegleiter abgelegt wird. Am Anfang des zweiten Halbjahres kann ein zweites Lernbegleitungsgespräch stattfinden, we­nigstens für Sorgenkinder und auf Wunsch der Schüler selbst. Weitere Lernbegleitungsgespräche können bei Bedarf am Elternsprechtag sein.

Schüler und Lehrer übernehmen bewusst in enger Kooperation gemeinsam Verantwortung für das Lernen und auch für die Leistungsbewertung. Die Arbeit an der Qualität wird zu einer gemeinsamen Aufgabe! Mit der Lernbegleiter-Mappe werden die Schülerinnen und Schüler behutsam an die Portfolio-Kozeption herangeführt, die ihnen ja zum Abschluss ihrer Schulzeit - ob am Ende der 12 Klasse oder nach dem Abitur - von so großem Nutzen sein kann. Einige Gedanken und Grundsätzliches zum Lernbegleitungsgespräch wurde für die Lehrer zusammengestellt und ist die Basis der Gespräche.

Der bewusste Verzicht auf Notengebung, Sitzenbleiben und Prüfung zur Leistungsbewertung gehört zu den Grundlagen der Waldorfpädagogik.

Die Klassengemeinschaft bleibt als soziale Lerngruppe von der ersten bis zur zwölften Klasse erhalten. Die Probleme des herkömmlichen Berechtigungswesens durch Prüfung und Auslese, durch Disziplinierung und Notengebung sind zur Genüge bekannt und erschöpfend und ausführlich in der pädagogischen Literatur beschrieben. Wir haben uns in der Waldorfschule bei der Leistungsbewertung aus gutem Grund für die Form des Textzeugnisses entschieden, um die pädagogisch negative Auswirkung der Zensurenzeugnisse zu vermeiden. Wir können z.B. auch in der Oberstufe zunächst auf Zensurenzeugnisse verzichten, da es bei uns kein Sitzenbleiben und damit auch keine leistungsorientierte Auslese gibt. Dennoch hat sich in der Praxis gezeigt, dass unsere Textzeugnisse am Ende des Schuljahres den pädagogischen Anforderungen und dem Informationsbedarf der Schüler und Eltern nicht mehr genügen.

Die Schüler brauchen zusätzlich individuelle Lernbegleitungsgespräche. Dabei geht es vor allem um die Frage, wie die Leistungsbewertung auch zur Lerndiagnose und Lernhilfe werden kann. Die Leistungsbewertung soll von einem Instrument der Kontrolle zu einem Mittel der Entwicklung der Schüler und des Unterrichts werden.


Eine wichtige Funktion der Leistungsbewertung ist die Hilfe zur Selbststeuerung des Schülers zum selbständigen Lernen. Der Schüler soll mit dem Arbeitsprozess nicht alleine gelassen werden. Das Erfassen der Prozessleistung ist das Hauptanliegen der Leistungsbewertung. Kontrolle und Bewertung müssen nicht nachträglich, sondern vor und während des Lernprozesses integriert werden. Schüler werden verantwortliche Mitgestalter des Unterrichts, Lehrer treten in ihrer Rolle als Vermittler von Fachwissen zurück und werden Lernbegleiter und Lernberater.

Vielen Schülern fällt es zunächst schwer sich reflexiven Aufgaben zu stellen. Erst allmählich erfahren sie, dass sie die Arbeit weiterbringt. Sie müssen sorgfältig eingeführt werden. Die Dokumentation ist die Voraussetzung, dass Lernprozesse, ihre Ergebnisse, darauf bezogene Reflexionen und Beurteilungen möglich sind: Lernprozess und Entwicklung werden sichtbar und öffentlich, Vorgänge werden wiederholt beurteilbar, mehrere Personen äußern sich zum Lernprozess. Schüler können ihre eigenen Arbeits- und Entwicklungsprozesse wahrnehmen und beurteilen.

Es geht aber auch darum, Dokumente zusammenzustellen, die ein diagnostisches Verfahren ermöglichen: Rückmeldebogen, Portfolios und die Schülerselbstevaluation. Rückmeldebogen mit Verbesserungs- und Übungsempfehlungen, Lernvereinbarungen, auch Portfolioprojekte sind gute Voraussetzungen für diagnostisch-didaktische Arbeit. Der Lehrer benötigt die Berichte und Reflexionen der Schüler, um Lernprozesse rekonstruieren und verstehen zu können. Außerdem lernt er dadurch auch, den Lernprozess durch die Augen des Schülers zu sehen, was manchmal zu überraschenden Neuentdeckungen führt.

Jule Andreae-Fritze, Eva-Maria Cattes-Meister, Angelika Scharpey, Christiane Schulte-Stumpf, Frank de Vries, Julia Weber 2006